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Recherchegruppe veröffentlicht Informationen zu Humers „Internetsoziologie“

2013 Februar 17
by Recherchegruppe AntiRep

Am 17. Februar 2013 tragen wir auf Indymedia neuere Informationen zu Humer zusammen. Humer bezeichnet sich inzwischen als „Internetsoziologe“ und verweist darauf, der erste Vertreter dieser Wissenschaft in Deutschland zu sein. Er ist außerdem Gründer des „Netzwerks Terrorismusforschung“ (NTF). Unter anderem beschäftigt sich Humer mit Videoüberwachung und arbeitet an einem Forschungsprojekt des Bundeskriminalamtes mit.

Humer wird erneut aufgefordert, sich zum Vorwurf der Unterwanderung linker Zusammenhänge zu äußern.

War Stephan Humer früher Spitzel in linken Zusammenhängen?

(Einige Links verweisen auf die Webseite von Stephan Humer)

Im Internet kursiert die Ankündigung zu einer Tagung des „Netzwerks Terrorismusforschung“ (NTF), die demnach am 14. und 15. März 2013 im Arbeitsbereich Internetsoziologie der Universität der Künste Berlin abgehalten wird. Forschungsleiter und Gründer dieses Arbeitsbereichs ist Stephan Humer, der vor einigen Jahren als Spitzel in linksradikalen Zusammenhängen geoutet wurde. Humer verantwortet die Tagung offensichtlich, denn ihm obliegen die jeweils einleitenden und abschließenden Worte. Außerdem hat er die Ankündigung im Internet verbreitet.

Humer wurde im März 2007 in der Berliner Interim geoutet. Unter der Überschrift „V-Männer im Berliner Sozialforum“ wurde ein erklärender Artikel veröffentlicht, der aber nicht vom (inzwischen nicht mehr existenten) Sozialforum selbst erstellt wurde. Damals hatte der ebenfalls im Sozialforum mitarbeitende Politologe Peter Grottian (der vom Verfassungsschutz ausgeforscht wurde) die Identität von drei Spitzeln in Erfahrung bringen können, deren Namen aber aus unterschiedlichen Gründen für sich behalten. In der Interim wurden dann Stephan Humer und Erhard „Abi“ Abitz genannt.

Humer war zudem in der Mobilisierung gegen den G8-Gipfel in Heiligendamm aktiv. Er beteiligte sich an Treffen zum Aufbau von Antirepressionsstrukturen, ohne dass er selbst einer Gruppe angehörte. Auf Nachfrage hat er nie etwas Intelligentes vorgetragen, was seine Mitarbeit erklären würde. Möglich wären beispielsweise soziologische Studien für die eigene Arbeit: Zu jener Zeit hatte er gerade seine Diplomarbeit „Das Imaginäre im Internet“ abgeschlossen, was wenig mit der linksradikalen Vorbereitung auf Heiligendamm zu tun haben dürfte.

Möglich, dass er vom Verfassungsschutz oder der Polizei als Informant angeworben wurde. Dass er als verdeckter Ermittler unterwegs ist, also im Staatsdienst steht, ist angesichts seiner mittlerweile umfangreichen Vita unwahrscheinlich. Humer hat die gegen ihn erhobenen Vorwürfe weder bestätigt noch entkräftet (außer beim Sozialforum, wo er sie, im Plenum damit konfrontiert, aggressiv abstritt). Sollten sie zutreffen bleibt unklar, für wen er gearbeitet hat. Dies herauszufinden war unter anderem der Zweck einer Klage eines damaligen Angehörigen des Sozialforums. Der Verfassungsschutz sollte Unterlagen veröffentlichen, was aber gerichtlich abgelehnt wurde.

Mehrfach hat Humer versucht, am Rande linker Zusammenhänge Fuß zu fassen. Er betreute zeitweise eine Kolumne im „Freitag“, die sich mit dem Internet, den Piraten und dem Chaos Computer Club (CCC) beschäftigt. Beim CCC war er offenischtlich auch regelmässig bei dessen Konferenzen zugegen. Bei anderen Gelegenheiten suchte er die Nähe anderer Personen die sich mit Bürgerrechten und Datenschutz beschäftigen, darunter Markus Beckedahl und Angelika Beer.

Das Internet und das Digitale markieren Humers hauptsächliche Inhalte. Letztes Jahr nahm er an einer Konferenz der Polizeihochschule Münster teil, die zusammen mit der Industrie abgehalten wurde. Es ging um die „technologische Fortentiwcklung“ der Polizei. Er befasst sich auch mit Überwachungstechnologie, die er nicht grundsätzlich ablehnt. Stattdessen fordert er beispielsweise, auch Datenschützer an deren Entwicklung zu beteiligen.

Dies dürfte seine Teilnahme an einem Forschungsprojekt des Bundeskriminalamts erklären: Unter dem Namen „Multi-Biometriebasierte Forensische Personensuche in Lichtbild- und Videomassendaten“ (MisPel) entwickelt das BKA Technologie zum Durchsuchen seiner Lichtbildbestände. Fotos aus dem Internet oder von Videos im öffentlichen Raum können mit Polizeidatenbanken abgeglichen werden – ein aus Sicht des Datenschutzes ungeheuerlicher Vorgang. Das BKA wendet die Technik bereits an.

Auf seiner Webseite dokumentiert Humer mehrere ähnlich kritische Sicherheitsforschungsprojekte: BaSiD, FESTOS, Forschungsforum Öffentliche Sicherheit, MuViT, PRESCIENT, PRISMS, Resilien-Tech, SAPIENT, SIRA, SurPRISE und SURVEILLE. Anscheinend verlinkt er die Projekte, um die Initiative „European and International Experts Network“ bekanntzumachen, deren Mitglied er ist. Es handelt sich dabei laut Humer um ein nicht-öffentliches Netzwerk von „Experten“, das sich wahrscheinlich mit der soziologischen Überprüfung von Projekten der Sicherheitsforschung profiliert.

Die jetzt ausgerichtete Tagung steht keinem Zusammenhang sonstiger Aktivitäten von Stephan Humer. Einziger roter Faden ist das Internet, um das es in einigen der Workshops geht. In Workshops wird erörtert, inwiefern Kontrolltechnologie von gesetzlichen Anforderungen abweicht („Die Gesamtbevölkerung als Adressat IuK-basierter Anti-Terror-Maßnahmen“, „Die Bedeutung des Policy‐Timings für die Einführung des IMSI‐Catchers“). Die Tagung schwadroniert vom „Cyberterrorismus“, was in der Bloggosphäre als Kampfbegriff von Law and Order zur Überwachung und Kontrolle des Internet kritisiert wird: Nirgends ist bislang etwas über einen „cyberterroristischen“ Anschlag berichtet worden. Humer will dem wohl etwas entgegensetzen, indem er den Begriff salonfähig macht.

Das „Netzwerk Terrorismusforschung“ ist alles andere als ein emanzipatorisches Projekt. Laut Selbstbeschreibung handelt es sich um einen „Zusammenschluss von mittlerweile über 200 jungen WissenschaftlerInnen aus verschiedenen Disziplinen, die sich mit Fragen und Problemen aus dem Themenbereich Terrorismus und Terrorismusbekämpfung befassen. Es soll Kontakte schaffen und als Forum dienen für Ideen- und Informationsaustausch, Projektvorstellungen und gemeinsame Projekte“.

Wir fordern Humer auf, sich endlich zu seiner unklaren Tätigkeit in linken Zusammenhängen 2006 und 2007 zu erklären. Wir werden nicht locker lassen, ihn zu beobachten und immer wieder Berichte über seine aktuelle Tätigkeit verfassen. Bis dahin gehen wir davon aus, dass die Vorwürfe von damals zutreffen.

Am 18. Februar 2013 meldet sich in der Kommentarspalte des Indymedia-Artikels eine Person, die sich als von Humer bespitzelt vorstellt:

Als einer der damals im Berliner Sozialforum Bespitzelten kann ich bestätigen, dass Humer dort einen höchst zwiespältigen Eindruck hinterlassen hat. Er war seinerzeit nicht bereit, an der Aufklärung des gegen ihn bestehenden Verdachts konstruktiv mitzuwirken (sollte man von einem Soziologen nicht etwas soziale Kompetenz erwarten können?); seine Erklärungen waren teils widersprüchlich und unglaubhaft. Dies wurde im BSF allerdings als nicht hinreichend angesehen, um ihn öffentlich namentlich zu benennen. Er war übrigens soweit bekannt keine der 3 Personen, die sich Peter Grottian gegenüber offenbarten. Ich hätte eher erwartet, ihn nach 3-4 Jahren als Dozent an der Fachhochschule des Bundes wiederzufinden.

Ob er im BSF eigene soziologische „Feldforschung“ betrieben hat oder dies im Auftrag eines Amts getan hat – oder beides zusammen -, kann nur er selbst beantworten. Seine folgende Tätigkeit weist ihn jedenfalls als jemanden aus, der sich durchaus wohl fühlt in der Grauzone zwischen Sicherheitsbehörden und soziologischer Forschung. Als „echter“ Wissenschaftler vermeidet er eigene politische Positionierung, ein bisschen davon lässt er durchblicken in einem auf seiner Webseite verlinkten Interview http://www.kiezbiografien.de/2012/07/kb010-stephan-ist-internetsoziologe/ (ab ca. Minute 47). Es scheint, als wolle er sich mit seiner „Internetsoziologie“ ein Parallelfeld zu dem seit Jahren aktiven soziologischen Sicherheitsmilieu rund um die „Extremismusforschung“ à la Backes, Jesse, Pfahl-Traughber schaffen!? Igitt!

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